Im Gespräch: Toxoplasma

30 Jahre nach ihrer Debütscheibe und knapp 20 Jahre nach dem letzten Studioalbum Leben verboten erschien vor kurzem das neue Album Köter von Toxoplasma. Darüber, über Punk in den 19080ern und heute und auch über Polizisten die heimlich Toxoplasma hören hat uns die Band Rede und Antwort gestanden.


 

TrueTrash: Mich als jemandem der in den 1980ern in der musikalischen Früherziehung war und der sich Anfang 1990er vergeblich am Klavier abmühte – oder mit anderen Worten – so weit vom Punk der damaligen Zeit entfernt war wie es nur irgendwie geht, interessiert zweierlei: Wie war es damals und was hat sich seither geändert? Also, für die Jüngeren unter uns, die in den 80ern oder den 90ern nicht ansatzweise wussten wie sich Punk überhaupt schreibt: Was haben wir verpasst?

Toxoplasma: Als wir in den späten 1970ger Jahren Punk für uns entdeckten, war das in jeder Hinsicht eine völlig neue Nummer. Unsere musikalische Sozialisation hatte zuvor Anfang/Mitte der 70ger mit Glamrock stattgefunden: Stadionrock und Starkult pur. Mit Punk war plötzlich alles möglich; jeder konnte und durfte Musik machen, Fanzines schreiben, usw. Eine höchst spannende und kreative Zeit! Überhaupt war die Szene damals sehr offen und vielfältig: Punk und New Wave gehörten noch irgendwie zusammen, so dass wir häufig auch zu schrägen Synthie-Konzerten (etwa Wirtschaftswunder oder Radierer) gegangen sind. Richtig „harte“ Bands gab es in Deutschland nur ganz wenige, so dass wir uns 1980 entschlossen, selbst eine möglichst harte Punkband zu gründen.

 

Punk in den 1980ern und Punk heute. Was hat sich geändert? Fangen wir einfach an: Wie hat sich eure Musik im Laufe der Zeit verändert?

In den Anfangstagen wurde für uns Punkmusik ausschließlich von englischen Bands geprägt: Sex Pistols, Clash, X-Ray Spex, Damned, Drones waren die musikalischen Vorbilder. Dazu kannten wir noch eine Hand voll Ami-Bands, wie zB. Ramones oder Dead Boys. Es klang aber alles nach „klassischem 1977´ger Stil“. Amerikanischer Hardcore schwappte erst Jahre später nach Deutschland.

 

Und was hat sich an der Einstellung von damals im Vergleich zu heute geändert? Sowohl an Deiner persönlichen als auch generell in der Gesellschaft?

Wenig! Scheisse ist noch immer braun und stinkig; Politik ist noch immer verlogen und berechnend. Es scheint aber so, als ob die meisten Leute durch´s Privatfernsehen noch dümmer sind, als früher.

 

„Toxoplasma“ war seit der Gründung 1980 immer mal wieder getrennt. Was habt ihr – also die heute noch verbliebenen Gründungsmitglieder – in der Zwischenzeit gemacht? Auch Musik? Oder wart ihr in ganz normalen spießbürgerlichen Jobs unterwegs?

Toxo wurde 1980 von Wally und Stefan gegründet und wir beide sind auch heute noch dabei! Wally hat die Band von 1980 – 1986 weitergeführt; von 1990 – 1998 in anderer Besetzung und ab 2004 zunächst wieder in Urbesetzung. Stefan wechselte 1983 zu Canalterror und 1987 zu Tarnfarbe.

Musik war immer ein wichtiger Teil unseres Lebens; Wally hat seit 25 Jahren ein eigenes Tonstudio in Koblenz.

 

30 Jahre nach eurer Debütscheibe und knapp 20 Jahre nach dem letzten Studioalbum „Leben verboten“ erscheint in Kürze euer neues Album „Köter“. Trotz regelmäßiger Konzerte in den vergangenen Jahren, erscheint erst jetzt ein Album. Warum erst jetzt? Warum gerade jetzt?

Die Songs brauchten ihre Zeit um zu „reifen“. Wir spielen sie schon seit Jahren bei Gigs und haben dabei etliche Änderungen, aber auch die Reaktion der Leute ausprobiert. Wir wollten nach all den Jahren nicht mit etwas Halbgarem rauskommen zumal wir auch nicht das Gefühl haben, irgend jemandem etwas „beweisen“ zu müssen!

 

Aus welchem Zeitraum stammt das nun veröffentlichte Song-Material? Aus den vergangenen 20 Jahren, oder ist es eher in aktuelleren Zeiträumen entstanden? Wer hat an den Songs mitgearbeitet?

Die Songs sind in den letzten 6-7 Jahren entstanden und sind somit eher „aktuell“. Ausgearbeitet wurden sie von der ganzen Band.

 

Was muss man zum neuen „Toxoplasma“ Album unbedingt wissen?

Dass wir es selbst absolut geil finden und seit Wochen ständig hören!!!

 

„Köter“ erscheint in Zusammenarbeit mit dem relativ jungen Label „Aggressive Punk Produktionen“. Wie kam es zur Zusammenarbeit?

AGP hatten vor Jahren schon mal angefragt, aber wir wollten die Platte eigentlich DIY machen. Letztlich kam es zur Zusammenarbeit, da uns die Macher des Labels sympathisch waren und uns ein gutes Konzept vorlegten.

 

Gibt es so etwas wie den „typischen“ „Toxoplasma“-Hörer? Wenn ja, wie hat sich dieser im Laufe der Zeit verändert? Haben sich eure Hörer mit euch verändert? Also etwa vom eingefleischten Szene-Punk hin zum Familienvater der heute zwei Kinder zu Hause hat?

Also dem wirklich „typischen“ Toxohörer sind wir noch nicht begegnet; lustig war allerdings, dass ein total vermummter/gepanzerter Bulle (angesichts der Riots 2008 in Hannover bei der Prämiere des „Chaostage“ Films und unsereres Gigs) flüsternd gestand, dass er seit Ewigkeiten unsere „Leben Verboten“ zuhause hat und geil findet…

 

Ich habe einmal von einem Musikproduzenten gehört, dass Musik um in Deutschland auf lange Sicht nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie auf deutsch gesungen wird. Blickt man sich in der hiesigen Musiklandschaft um, so sind in der Tat viel Bands, die über Jahre und Jahrzehnte Erfolg haben mit deutschsprachigen Texten unterwegs. Habt ihr euch damals bewusst für deutsche und gegen englische Texte entschieden, oder war das mehr eine Entscheidung aus einer Laune heraus? Würdest Du das heute eventuell anders machen?

Die Entscheidung war insofern „bewusst“ pro deutsche Texte, als unser Englisch viel zu schlecht war. Ausserdem wollten wir ja auch etwas sagen und zwar so, dass Leute das auch verstehen! Hinter englischen Lyrics verstecken sich schon genug andere Bands.

 

Bandauflösungen, Wiedervereinigungen, Ausstiege von Bandkollegen, neue Leute an Board holen. Euer Bandleben war jetzt nicht unbedingt das was man entspannt nennen würde. Wie verkraftet eine Band eine solche Unstetigkeit? Woher nimmt man die Kraft und Motivation doch immer wieder weiter zu machen?

Neue Leute bringen auch neuen „Wind“ und neue Ideen. Mit Köter beweisen wir doch, dass die aktuelle Besetzung prima passt?!

 

Wenn Du nochmal wählen könntest – würdest Du „Toxoplasma“ wieder gründen?

Ja!

 

Was würdest Du jungen Bands mit auf den Weg geben, die den Schritt ins „Band-sein“ gerne wagen würden, aber doch gewisse Zweifel haben?

Nicht nachdenken, einfach machen!

 

Viele eurer Bandkollegen nehmen das dreißigjährige – oder auch andere – Jubiläen zum Anlass Best-Of-Compilations oder ähnliches zu veröffentlichen. Nicht euer Ding?

Nein. Wozu sollte das gut sein? Wir spielen live ein best-of Programm!

 

Wagen wir einen vorsichtigen Blick in die Zukunft. Zunächst in die Nähere: Was ist nach Veröffentlichung des Albums geplant? Tour? Eure letzten 7inch Veröffentlichungen sind auch schon älteren Datums. Kann man in dieser Richtung was erwarten?

Wir werden 2014 mit Sicherheit häufiger live zu sehen sein. Weitere Aufnahmen sind zur Zeit nicht geplant. Schaun wir mal!

 

Nach 20 Jahren kreativer Schaffenspause, zumindest was Studioalben angeht, hat sich ja bestimmt etwas mehr Songmaterial angesammelt. Habt ihr genügend Material um gleich noch ein Album zu veröffentlichen, oder dauert es wieder 20 Jahre?

Wie gesagt: Schaun wir mal; erstmal ist jetzt der Köter los!

 

 
 
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Das Interview wurde per E-Mail geführt. Danke Wally!
 



Dieser Beitrag wurde am von Fabian veröffentlicht • Kategorie: Interviews • Tags:






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