Mitte Mai habt ihr euer erstes Album Heiter veröffentlicht. Könnt ihr dazu ein bisschen erzählen?
Johnny Mauser (Rap): Es hat uns eigentlich überrascht, dass es schon im Mai rauskam, wir saßen da zwar relativ lange dran aber es war nicht wirklich klar wann es eigentlich rauskommen sollte und dann kam es für uns halt Schlag auf Schlag. Wir mussten dann auch schnell ein Video drehen und dafür nach Italien fahren, dann haben wir unsere Releasekonzerte gemacht, jetzt sind wir auf jeden Fall wieder entspannter.
Kralle (Bass): Es ist auch einfach auf vielen Ebenen viel passiert, wir haben rein Instrumental einen Sound gesucht, uns überlegt worüber gerapt wird, dann haben wir auch einiges umstrukturiert, innerhalb von einem halben Jahr kam da schon recht viel.
Mauser: Noch dazu fand uns Audiolith Records so geil, dass sie gesagt haben sie wollen das jetzt rausbringen.
Wie entstand das Projekt Trouble Orchestra eigentlich?
Mauser: Es entstand dadurch, dass ich unter dem Namen Johnny Mauser schon länger HipHop Musik gemacht habe und der junge Mann da hinten, der Bassist angefangen hat mit mir zu Jammen, dann haben wir uns gedacht wir könnten das auch live mit Sjard am Schlagzeug kombinieren, also digitale Beats laufen ab und das wird dann von Schlagzeug und Bass unterstützt damit das mehr Druck hat, die anderen kamen dann nach und nach dazu. Am Anfang haben wir meine alten HipHop Songs gecovert, was auch ganz witzig war aber was für ne Band irgendwann nicht mehr ausreicht. Dann haben wir in Hamburg St. Pauli in ner coolen Lage nen Proberaum gekriegt, wir wohnen alle um die Ecke und hängen eh die ganze Zeit zusammen ab. Wir haben dann immer mehr zusammen geschrieben und komponiert, der Plan war nie daMusik zu machen die aus Gitarren und Rap besteht, es kam dann halt dazu.
Wie würdet ihr euere Musik beschreiben?
Jonas (Git): Auf jeden Fall nicht so platt Crossover mäßig, wenn man Crossover als Konzept begreift ist es ja wirklich zwischen Gitarrenmusik und Rap aber wir sind wirklich keine typische Crossover Band. Musikalisch würde ich sagen n bisschen Postrock, n bisschen Indie kombiniert mit Sprechgesang aber auch melodischen Parts aber so n knackiges Genre haben wir nicht.
Mauser: Ich glaube eher das Gefühl und die Stimmung die das kombiniert, wir Texter können den selben Nerv treffen wie die Musiker und das ist dann halt kein klassischer Hardcoregitarren Crossover oder klassischer Rap sondern das trifft sich auf so ner Gefühlsebene.
Kralle: Das ist auch ganz interessant weil wir alle aus verschiedenen Bereichen kommen und es dadurch sehr fruchtbar ist zusammen im Proberaum zu stehen.
Sjard (Drums): Dadurch, dass wir als die Mauser Liveband angefangen haben hat sich das halt einfach so entwickelt, also wir haben nicht gesagt es gibt keinen 90er Crossover mehr, lass uns das mal machen sondern das ist halt so entstanden.
Jakob (Git, Voc): Wobei wir ja schon von Anfang an Lust auf Post.Rockige, sphärische Klänge haben, also in die Richtung ist es auch beim Jammen immer gegangen. Bei dem ersten Songe den wir gemacht haben, Funkeln, sieht man das ja schon.
Wie entwickelen sich euere Songs?
Sjard: Das ist tatsächlich recht unterschiedlich, also es gab Songs bei denen die Texte zur Musik entstanden und es gab auch Songs bei denen dann Musik zu den Texten geschrieben wurde.
Wer Musik macht wird quasi zwangsläufig immer mit anderen Musiker/Innen verglichen. Wie sahen die Vergleiche bei euch aus und wie habt ihr darauf reagiert?
Mauser: Es gibt einige Bands mit denen wir nicht verglichen werden wollen. In unserer Bandinfo grenzen wir uns gleich in den ersten Sätzen von klassichem Crossover ab auch wenn wir da wahrscheinlich selbst nah dran sind aber wir wollen das nicht. Zum Beispiel kam in der Intro ein Linkin Park Vergleich.
Sjard: Such a Surge waren da zum Beispiel.
Kralle: Ich muss ganz ehrlich sagen Such a Surge war eine Band die ich richtg gehört hab und die ich früher gut fand, wie das der Rest der Band sieht, ob sie sich da kritisch mit auseinandergesetzt haben um ihre Meinung zu manifestieren weiß ich nicht.
Mauser: Bei uns werden halt auch immer mehr Vergleiche gesucht weil es schwer ist uns einzuordnen. Sonst kamen halt so Vergleiche wie Kraftklub oder Casper weils halt doch mehr ist als klassischer Rap.
Jakob: Wobei der Capser vergleich ja doch eher weniger kommt. Also wir haben auch so sphärische Sachen aber da sind wir viel gitarrenlastiger, ich finds irgendwie auch schön, dass wir eher an Linkn Park als an Casper erinnern. Wobei ich ja sagen muss die ersten beiden Alben hab ich schon gefeiert, Sjard hat sie auch gefeiert, Jonas auch und Kralle hat sie auch gefeiert.
Kralle: Such a Surge hab ich mehr gefeiert!
Wo seht ihr euere musikalischen Einflüsse?
Alle unterschiedlich, schon von den Genres her. Die Rapfraktion, Phurioso und Mauser hatten die klassische HipHop sozialisation und wir Instrumentalisten kommen aus der Hardcorepunk, Postrock. Indie Richtung aber so einfach lässt sich das garnicht sagen weil wir alle komplett anders sozialisiert wurden aber grob kann man das n bisschen aufsplitten in Rap- und Gitarrenfraktion.
Jakob: Die Lieder sind aber auch Grundverschieden, sollen wir mal ein Paar Namen nennen? Unseren Gitarrensound haben Adolar ziemlich beeinflusst also von schrofferen Gitarren aber trotzdem alles so n bisschen zugänglich und poppig halten, aber es ist nicht so, dass wir uns nicht auf Musik einigen können. Also wir machen uns auch gegenseitig auf Musiker aufmerksam, wenn man merkt wieso jemand die Musik feiert dann findet man da auch nen ganz anderen Zugang zu.
Mauser: Und es gibt ja auch mehr als diese rein Musikalische Trennung, das merkt man wenn wir im Tourbus sind und befreundet sind und Zeit miteinander verbringen.
Sjard: Dass man Einflüsse manchmal nicht so wirklich benennen kann ist manchmal auch ganz gut, das ist manchmal auch unbewusst, eigentlich bei allen Dingen im Leben weiß man manchmal garnicht woher der Einfluss kommt.
Jakob: Es entsteht ja auch genug dadurch, dass wir uns mit uns selbst auseinandersetzen, da müssen wir nicht konkret sagen „lass mal so nen Song machen wie“.
Kralle: Da ist halt einfach auch der Fakt, dass wir alle Freunde geworden sind, die halt Interesse aneinander haben und dadurch auch ein ohr für die anderen musikalischen Einflüsse haben. Der Punkt bei Rap früher bei mir war, dass das für mich homophober sexistischer Kram war und das hat sich mit Zeckenrap halt komplett gewandelt und dadurch hab ich nen Zugang zu Rap gefunden und bin da eingetaucht, deswegen ist es auch keine besondere Sache, dass wir Rap mit Gitarrenmusik machen.
In Reviews zu Heiter ist immer wieder von negativer Rezeption von Crossover die rede auch wenn ihr gleichzeitig teilweise in diese Schublade gesteckt werdet. Was sagt ihr dazu?
Sjard: Uns schreckt halt dieses Numetal mäßige 90er Hardcore Ding ab, der Begriff ist dadruch halt geprägt aber er ist eigentlich schon richtig wenn man überlegt, dass man einfach verschiedene Sachen miteinander vereint, da ist der Vergleich danna uch absolut gerechtfertigt.
Mauser: Das beste Beispiel wo man das nicht negativ konnotiert hat ist das Fusion Festival, da ist bei jeder zweiten Band in der Beschreibung sowas wie „electric drum&bass ska polka“ oder „psychedelic rap indie folk“ und da denkst du dir halt „krass was ist das denn?“, dann nennt mans halt Crossover und dann ists gleich weg.
Jonas: Lasst uns den Begriff einfach neu belegen, lasst uns einfach sagen wir sind ne Crossover Band.
Mauser: Post Crossover oder so.
Jonas: Neo Crossover“
Ihr habt ja fast alle noch andere Projekte, wie schafft ihr das eigentlich alles zusammen durchzuziehen?
Jonas: Organisation. Das klingt jetzt kalt aber ist halt leider so.
Sjard: Und halt der Fakt, dass wir dicht aneinanderleben, also wir laufen uns sowieso oft über den Weg oder die Wege sind kurz.
Mauser: Oder auch die radikale Entscheidung dann zu sagen ich reduzier meine Stunden bei der Arbeit oder nehme keine Arbeit an, ich lebe in prekären Verhältnissen oder schlechte Noten bei der Uni. Also wir alle machen krasse Abstriche was sich finanziell eigentlich nie groß positiv auswirkt, aber wir machen das halt alle zu einem Hauptteil unseres Lebens.
Wie viel vom DIY Gedanken steckt in Trouble Orchestra & Heiter?
Also in der Entstehung ist alles auf unserem Mist gewachsen aber es gibt Punkte, auch wenn ich DIY total cool und sympathisch finde, bei denen ein Label wie Audiolith einem Dinge ermöglichen kann die wir selbst nich können, sei es, dass wir die Zeit nicht haben oder die Connections nicht haben, also es wäre schon wenn es ginge aber es geht nicht und mit Audiolith ist das für uns leichter.
Jakob: Aber vom Gedanken steckt da schon sehr viel drin. Das hat man zum Beispiel bei den Releaseshows gesehen, da waren wir dann n Paar Tage zusammen zum Plakatieren unterwegs, also wir haben da schon viel Zeit für Organisation und Logistik investiert, aber es macht uns halt auch Spaß.
Mauser: Wir müssen aber auch sagen, dass Audiolith uns musikalisch nicht reinreden wollte, also die Musik ist komplett von uns und es gibt keine Sekunde auf dem Album die irgendwie umgebogen wurde.
Jonas: Da denkt man immer, dass das ja so selbstverständlich ist, dass man das garnicht betonen müsste ist es aber leider nicht. Auch so Sachen wie das Artwork, da haben sie uns auch nicht reingeredet oder gesagt, dass sie uns jetzt nen Grafiker dafür geben.
Jakob: Und wir schleppen unsere Instrumente meist noch selbst und pennen eigentlich so gut wie garnicht in Hotels sondern meistens in Schlafsäcken, das ist auch DIY.
Wie reagiert ihr wenn jemand sagt Trouble Orchestra ist doch nur Johnny Mauser mit Band?
Jakob: Gereizt! Nö, Johnny Mauser ist ja auch in der Band und wenn man genau hinhört hört man ja auch unsere Einflüsse. Uns jetzt nur darauf zu reduzieren ist nicht tragbar.
Mauser: Wir achten auch immer drauf, dass das auf Flyern nicht steht, allein schon, damit die Leute nicht erwarten, dass das Zeckenrap ist und dann da hingehen und enttäuscht sind. Und wir haben ja noch einen anderen Rapper in der Crew, Phurioso, der genausoviele Parts übernimmt wie ich. Und vom textlichen her kann man sagen, dass meine anderen Projekte expliziter Sachen ansprechen als beim Trouble Orchestra, da ist das eher verbildlicht, das ist halt auch ne andere herangehensweise.
Woher kommt eigentlich der Optimismus in eueren Texten?
Jonas: Den haben wir doch manchmal auch.
Jakob: Ist da so viel Optimismus?
Kralle: Man kann natürlich so ran gehen, dass in nachdenklichen, melancholischen Texten ein gewisser Optimismus steckt, ist halt auch eine Sache der Herangehensweise, was man auch als Optimismus definiert, es gibt halt Songs bei uns, die mehr nach vorne gehen, die mehr den Lifestyle den wir haben eher beschreiben es gibt aber auch die Lieder die diese Kehrseite haben, also wir innerhalb dieser Verhältnisse, wo wir schon eher nachdenkliche Seiten aufzeigen. Sehr facettenreich würde ich sagen.
Mauser: Wir vergessen aber auch nicht was um uns passiert, wir können ja auch keinen positiven Song über irgendwas in Hamburg machen, wenn wir wissen, dass Flüchtlinge auf der Straße leben müssen und kulturelle Zentren geräumt werden, dann wäre es uns garnicht möglich eindeutig positive Texte zu schreiben, deswegen haben wir diesen Schleier drüber, wie mit diesem Heiter-Bild, dass es nicht nur so eindeutig schön ist, sondern es gibt immer sachen die man im Kopf behalten muss, das ist dann auch immer im Hintergrund und deswegen würde es uns schwerfallen einen rein optimistischen Song zu machen obwohl an sich alle diese einzelnen Geschehnisse total schöne Erlebnisse sein können. Sonst könnte man noch einen bekannten großen Musiker der Neuzeit zitieren, Captain Gips, „an meinen Zweifeln nagen Hoffnungen“.
Jakob: Der Song Heiter ist ja total positiv, total überzogen und da ist Funkeln so ein Gegenstück zu dieser Party-Euphorie-Situation und da redet man halt danach wo es dann die Einsicht gibt. . Wir haben ja immer so die beiden Seiten, also vorher kommt der Optimismus in den Texten und dann wieder nicht.
Wo seht ihr die Relevanz von Drogen?
Mauser: Wir sind glaube ich alle nicht so drauf, dass wir sagen, dass Drogen so bewusstseinserweiternd sind, dass wir bessere Musik machen. Es gibt auch weitere Substanzen neben Alkohol, die schöne Erfahrungen sind und Spaß machen aber es ist auch kein großer Teil für uns, sonst könnten wir ja auch nicht unsere ganzen Projekte machen.
Sjard: Wir sind weder ne Band die irgendwie drogenverherrlichend auftritt noch das Gegenteil.
Verglichen mit deinen Solotexten ist Trouble Orchestra weit weniger politisch. Wieso eigentlich?
Mauser: Politisch oder nicht politisch ist die falsche Aura von zwei Polen, es ist nicht so direkt, eher so ne Art Bildsprache, also eher so indirekt. Beim Zeckenrap ist halt einfach der HipHop das „Sprachrohr der Straße“, da sagst du halt straight auf 32 Bars das kotzt mich an und das ist bei der Musik die wir machen nicht so passend.
Kralle: Für uns ist aber auch wichtig, dass wir uns nicht davor scheuen politische Statements rauszuhauen oder das Thema politik umschiffen wollen, wir finden das bei anderen Bands manchmal echt scheiße wenn sie nicht sagen was ihre Meinung ist, besonders wenn sie dann Angst haben, dass sich das auf ihre Verkaufszahlen niderschlägt.
Sjard: Und dass wir uns davor nicht scheuen sieht man ja daran, dass wir heute auf dem Fight Back Festival spielen.