KUBALLA: Stuttgart? Verdammt!

Welchen Bezug habt ihr biografisch und aktuell zur Punkszene und zum DIY im Allgemeinen?
 
Tom: Stellt sich natürlich die Gegenfrage: wer oder was ist die Punkszene? Und das ist keine einfache Frage! Ich würde zuerst mal behaupten, dass das Punkrock-Universum ein großes und vielfältiges ist. Hier hat vieles musikalisch Platz und der Rest ist eine Einstellungssache ohne jetzt DIE genaue Einstellung zu kennen oder vorgeben zu wollenAllerdings finden wir, dass „Nazi Punks – fuck off!“ ein Mindeststandard ist und auch Sexismus und Homophobie nichts in diesem Universum zu suchen haben. Für mich gehört da auch dazu, dass ein kritischer Blick auf die bestehenden Verhältnisse vorhanden ist. Sei es gegenüber dem Thema Lohnarbeit, prekären Verhältnissen, Gentrifizierung oder dem völlig unreflektierten Konsumverhalten und schlussendlich auch gegenüber dem System Kapitalismus als Ganzem. Hier in Stuttgart ist natürlich Stuttgart21 ein großes Thema und da ist es sehr spannend mit unterschiedlichsten Leuten einen Protest auf die Straße zu tragen. Also nicht immer nur aus der eigenen Ecke sozusagen. Zu Hochzeiten gab es hier wöchentlich Demos mit mehreren tausend Leuten, auch viele aus dem bürgerlichen Spektrum. Schlussendlich wurde der Widerstand durch ein angeblich faires und offenes Schlichtungsverfahren umarmt und ihm somit seine Stärke genommen. Dennoch eine spannende Zeit, die zumindest deutlich macht, dass eine Menschenmenge was bewegen kann. Auch unvergessen wie die Menschen am Tag nach dem brutalen Polizeieinsatz vom 30.09.2010 mit sehr vielen Verletzten, zu knapp 100.000 Leuten aus Solidarität mit den Opfern und gegen Polizeigewalt abends im Dunkeln mit einem riesigen Demozug durch die Stadt zogen. Die SPERMBIRDS spielten am Abend ein Konzert in Stuttgart und staunten auch nicht schlecht was da alles los war! Auch LEONARD COHEN zollte durch seine Solidaritätsbekundung dem massenhaften Protest auf seinem Stuttgarter Konzert an diesem Tag Tribut, der mit tosendem Applaus beantwortet wurde.
 
Martin: Ansonsten würde ich sagen, dass es fast in jeder Stadt eine Punk/Punkrockszene gibt. Menschen und Bands die sich kennen und mögen, Konzerte veranstalten und zusammen abhängen und den gemeinsamen Nenner der Musik haben. Ich sag mal für uns, wir sind da szenemäßig aber eher so am Rande dabei.
 
Tom: In Stuttgart gibt es z.B. HELL AND BACK, die mit vielen Bands aus dem Punkrock und Hardcore Bereich befreundet sind. Da gibt’s dann öfter Konzerte, die die Leute auch gegenseitig besuchen. Die finden dann in unterschiedlichsten Läden statt, soweit die Betreiber halt offen für solche Konzerte sind aber ich denk mal in Stuttgart ist das ganz o.k. so. Zu erwähnen auch noch das „Anti-Establishment Festival“, das maßgeblich von der Band EMPOWERMENT organisiert wird, oder auch der Flo vom Juha West, der immer wieder auch überregionale Bands bucht.
 
Nicholas: In Ludwigsburg gibt es z.B. MINUTES FROM MEMORY und SUCUBUS mit denen wir mehr zu tun haben. Konzerte haben wir früher auch unter eigener Beteiligung und natürlich mit einigen anderen Leuten in einem Laden namens DemoZ veranstaltet. Schöne Hardcore-Konzerte waren da dabei, aber auch Punkrock-Sachen mit z.B. KOYAANISQUATSI. Heute ist eher die Villa BarRock mit Konzerten am Start. Da gibt es einen Verein namens G.R.U.N.Z., der immer wieder Konzerte veranstaltet. Die hatten glaub ich auch schon mal MARATHONMANN am Start und sind da immer wieder aktiv. Und haben auch schon Rock gegen Rechts Konzerte unterstützt.
 
Matze: Tom hat das ganz gut formuliert. Die „Szene“ aus selbst organisierten und subkulturellen Kulturangeboten empfinde ich im Großraum Stuttgart als übersichtlich, aber in sich recht vielfältig und vergleichsweise ausgeprägt. Da haben auf jeden Fall auch Punkrock und Hardcore ihren Platz! Ich hab in den letzten Jahren viel Zeit in München verbracht und war da wesentlich unglücklicher mit der Situation, ohne da jetzt repräsentative Ansprüche erheben zu können, oder Menschen auf den Schlips treten zu wollen. Um den Bogen zu DIY zu schlagen – das Ganze lebt natürlich von engagierten Menschen, die etwas auf die Beine stellen, was sich dann vielleicht in einer gewissen „Szene“ spiegelt. Über die Jahre kennt man sich und es kommen auch neue Kontakte hinzu. Dass es solche Strukturen gerade auch im Punk/HC-Bereich gibt, ermöglicht sicher auch uns als Band immer wieder Konzerte zu spielen. Diesen Sommer hatten wir beispielsweise die Möglichkeit auf dem „Holzrock Open-Air“ zu spielen. Was die Damen und Herren da bewerkstelligen ist wirklich absolut beeindruckend und einfach nur toll. Ansonsten sind wir als Band natürlich verdammt DIY, true, real und sowieso… Ich seh’ uns da als vier mittelmäßig talentierte Typen, die frei nach Lee Hollis einfach ungefragt mal losgelegt haben, mit Freude ihr Ding machen, darüber dazulernen und voran kommen.

 

 
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Dieser Beitrag wurde am von Marko Fellmann veröffentlicht • Kategorie: Interviews






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