Ein idyllisches Tal. Ein kleiner Fluss rieselt vor sich hin. Zirpende Grillen und singende Vögel sind zu hören. Und dann reisen plötzlich (mit verkauften Tagestickets) 18500 Menschen nach und nach an, schlagen ihre Zelte auf, betrinken sich und tanzen zu schallender Musik. Das ist das Taubertal Festival.
Donnerstag – Freitag
Am Donnerstag begann das Spektakel zunächst im Steinbruch, eine Art kleiner Ableger vom Festival, wo der Beginn des Festivals eingeleitet werden sollte, aber auch täglich die Aftershow-Party stattfand. Der Steinbruch befindet sich auf halber Strecke vom Campingplatz zum Festivalgelände. Die erste Band am Donnerstag im Steinbruch bot den perfekten Einstand auf das Festival. “Liedfett” sorgten für die ersten durchgeschwitzten T-Shirts und Blasen an den Füßen. Diese Dreier-Kombo aus dem “Liedermacher Untergrund” hat sich komplett dem Leben als Musiker und Entertainer verschrieben und das merkt man. Sie witzelten (auch über sich selbst), lachten herzhaft und nichts davon wirkte, als hätte man sich das im Vorfeld lange überlegt. Als nettes Gimmick hatten die Jungs zwei Steckenpferde dabei, eines in braun mit Mütze wie Sänger Sprinder und eines in rosa. Diese Steckenpferde wirkten obwohl kindlichem, narrenhaftem Gehalt, nicht lächerlich, sondern machten das Ganze noch sympathischer. Danach hatte man einfach nur Bock auf das Festival.
Enttäuschend waren an diesem Abend Kellerkommando. Am Großteil trägt jedoch der Mischer die Schuld. Während die Trompete viel zu laut war und wahnsinnig übersteuerte, ging so manches Instrument unter. Im Allgemeinen war die Band wahnsinnig laut und ohne Ohrenstöpsel konnte und wollte ich nicht auf dem Gelände bleiben. Gleichzeitig muss ich auch sagen, dass diese ganze Dialekt-Kiste auch einfach Geschmackssache ist und ich für meinen Teil verstehe einfach gerne was, vor allem bei deutschsprachige Künstlern, auf der Bühne gesagt/gesungen wird.
Ein riesiges Manko an der Orga: laut den Polizisten vor Ort dürfen sich im Steinbruch eine nicht besonders hohe Anzahl an Menschen aufhalten, weshalb sehr schnell die Schotten dicht gemacht wurden. Bei einer nicht unbekannten Band wie Kellerkommando, ist der Steinbruch dann wohl die falsche Wahl.
Am Freitag eröffneten dann Fiva und Band auf der Mainstage das Taubertal Festival. Trotz der Tatsache, Opener auf der Mainstage zu machen, zog die sympathische Art und das Lächeln von Frontfrau Nina die Menschen magisch an. Diese gibt sich Mühe mit dem Publikum in engen Kontakt zu treten, sie redet viel darüber was sie in der Menge beobachten kann und jedes Dankeschön wirkt wahnsinnig aufrichtig. Noch dazu ist sie eine begnadete Rapperin und hat eine Backing-Band, die es wirklich drauf hat. Hut ab, Nina, für diese Performance!
Auf der selben Bühne, jedoch Stunden später, gaben uns Biffy Clyro die Ehre. Was diese Jungs da zaubern ist einfach magisch. In der Urbesetzung zwar zu dritt, aber on Stage dann mit einer zweiten Gitarre und einem Keyboard, kamen die drei Briten einfach mal gleich oben ohne auf die Bühne und jeder Einzelne ist ein umwerfendes und interessantes Erscheinungsbild. Durch die wahnsinnig künstlerischen Tätowierungen, die bunten Hosen und dem sehr eindrucksvollen Banner, kann man die Augen kaum von der Bühne abwenden. Sie bauten ihre Show langsam und ruhig auf und rissen dann schlussendlich die Bühne ab! Diese Band hat Dynamik und Power! Die Headliner des Abends, Sportfreunde Stiller, waren gegen ihre Vorgänger Biffy Clyro chancenlos. Während diese ihre gewohnte Show durchzogen, waren einfach alle Festivalbesucher noch von der beeindruckenden Confetti und Rauch-Show von Biffy Clyro geprägt.
Samstag – Sonntag
Der Samstag war durchtränkt von Besonderheiten. Mein persönliches erstes Highlight waren The Subways. Die Jungs und das Mädel wissen wie es richtig geht. Sie sind zwar nur zu dritt, aber nutzen die Weiten der großen Mainstage perfekt aus. Der absolute Hingucker hierbei ist Charlotte, die Bassistin. Sie strahlt über das ganze Gesicht, rennt hin und her, zwinkert in die Menge und zeigt, das genau da oben auf der Bühne ihr Platz ist und das Publikum ihr gerade zurecht verfällt. Gleichzeitig meistert sie die Backingvocals sehr gut und spielt den Bass sehr sauber. Ohne Charlotte hätten die beiden Jungs es schwer gehabt. Direkt danach begann ein Ausnahmetalent auf der “Sounds-For-Nature” Bühne zu spielen: Dave Hause. Zusammen mit seinem Bruder Tim, bewaffnet mit zwei Gitarren und Tim zusätzlich mit einem Keyboard, bilden die beiden ein unschlagbares Duo. Ihre teilweise folklastige Rockmusik und die schallenden Klänge ihrer beiden Stimmen halten die Zuhörer in einem Käfig aus Melancholie fest. Die Texte und die musikalische Untermalung von Dave sind sehr tiefgründig, sehr persönlich und jeder Anwesende verliert sich in irgendeiner Form darin. Auch die Art und Weise wie Dave mit dem Publikum zu sprechen weiß, wirkt greifbar, als wäre er nicht da oben, sondern stünde direkt neben einem. Dass er und sein Bruder sich nahe stehen, sieht man an den Blicken, die sie austauschen. Sie genießen gemeinsam den Augenblick.
Am Ende wartet auf der Mainstage bereits das Kontrastprogramm. Die Broilers geben aus den alten und neuen Alben ihre schönsten Stücke zum Besten und zeigen, dass sie nach so vielen Jahren ihr Handwerk immer noch verstehen. Sänger Sammy und die Roadies zünden auf der Bühne rote Bengalos und die Fans tun es ihnen gleich. Komischerweise stürmen die Securities nicht sofort auf die Person los, die das Bengalo hält, wie man es sonst oft auf größeren Festivals sieht. Das letzte Mal als ich die Broilers sah, hatten sie noch keine Bläser dabei. Ich persönlich muss sagen, dass die Bläser das Ganze musikalisch ungemein aufwerten. Für alle langjährigen Broilers-Fans zählt wahrscheinlich noch die Vierer-Urbesetzung. Aber sowohl die Bläser, als auch der Keyboarder, haben sich wundervoll in das Bandklima eingefügt und wirken wie vollwertige Bandmitglieder, welche sie auch sind.
Für alle die Casper bereits mal gesehen haben, war dessen Headliner Show wohl nichts neues. Eins zu eins das selbe Set der letzten Tour, selbst die Wortwitze waren die gleichen. Das Set war sehr enttäuschend, die Gewohnheit hat wohl über die Band gesiegt, jedenfalls wirkte das so auf mich. Das Einzige, was die Show noch retten konnte, war die beeindruckende Licht- und Pyroshow. Die Techniker von Casper und vom Taubertal haben hier eine Glanzleistung vollbracht. Lichtfontänen, Rauchwolken und zum Schluss ein großes Feuerwerk, welches das Interessanteste am ganzen Auftritt war und ich bin kein Feuerwerk-Fan.
Wenigstens retteten Russkaja danach noch den Abend mit ihrer gewohnt charmanten und witzigen, russischen Art. Obwohl vieles davon aufgesetzt ist und sie sehr mit den Klischees und Vorurteilen spielen (Russen haben Wodka ja quasi im Blut, rollen das R in jedem Wort mindestens zwei Sekunden, hören nur russische Polka und essen wenn überhaupt Borschtsch), sind Russkaja immer eine sehr erfrischende Band. Die Bühnenshow ist ausgereift, jeder beherrscht sein Instrument perfekt. Vor allem die Dame an der Geige beeindruckt jedes Mal aufs Neue. Ein krönender Abschluss für einen wundervollen Festival-Samstag.
Der Sonntag begann mit Fehlverhalten der Festival-Crowd: es waren definitiv zu wenig Menschen bei Movits! Die Schweden machen sehr tanzbaren Electroswing mit HipHop-Elementen, ähnlich wie Parov Stelar. Die Jungs fielen vor allem durch ihr einheitliches Outfit, schlichten Anzügen oder zumindest weißen Hemden, auf. Sie kommunizierten wahnsinnig viel mit dem Publikum und gaben alles. Deshalb ist es mir unverständlich, dass man bei dieser Band lieber noch auf dem Campingplatz auskatert, dies hätte man auch auf dem Hügel in der Sonne zu der großartigen Musik von Movits! machen können.
Obwohl an diesem Tag die Headliner Ska-P und Seeed waren, war mein persönliches Highlight Enter Shikari. Noch nie sah ich eine Band, die ihre Instrumente so mies und gleichzeitig liebevoll behandelt. Der Bassist warf seinen Bass quer über die Bühne (im wahrsten Sinne des Wortes “werfen”), der Sänger sprang mit Mikrofon samt Stativ im Stagedive in die Menge und der Schlagzeuger schlug teilweise mit ganzen Beckenständern auf seine Toms ein. Nur der Gitarrist, der an dem Tag eine Augenklappe trug (er wurde von einem fliegenden Hut verletzt, wenn ich das richtig verstanden habe), hielt sich etwas zurück. Die Show dieser Jungs muss für ihre Techniker und Roadies die Hölle sein, besonders da sie beim letzten Song wirklich mitsamt Instrumenten durch die Menschenmasse rannten, über Hügel und Zäune kletterten und ihnen hinterher die Roadies und Securities, die versuchten das schlimmste abzuwehren. Aber Enter Shikari hatten und bereiteten Spaß.
Ska-P waren allerdings wie immer. Die Show kennt man mittlerweile in und auswendig, war man schon öfter auf Konzerten von ihnen. Pipi der Sänger hat zwar ein großes Repertoire an Kostümen passend zu den Songs dabei, aber diese wirken nur beim ersten Mal sehen amüsant. Aber das hissen einer Palästina-Fahne und abfeiern der Intifada kann man durchaus kritisch betrachten. (Für alle, denen Intifada kein Begriff ist: Intifada meint den Aufstand der Palästinenser gegenüber den Israelis, vor allem während der zweiten Intifada kamen durch Selbstmordattentäter und gezielte Schussüberfälle mehrere 1000 Israelis zu Tode. Die Aufständischen manipulierten und instrumentalisierten auch Kinder für ihre Zwecke und stachelte diese an, sich den israelischen Soldaten in den Weg zu stellen. Allein deswegen ist das Feiern der Intifada einfach nur verwerflich.)
Seeed allerdings waren für meinen Geschmack eindeutig zu langweilig. Beim genauen betrachten wurde schnell ersichtlich, dass besonders Peter Fox nicht gut gelaunt genug war um auf der Bühne auch mal ein Lächeln los zu werden. Die drei Frontsänger wissen genau was sie tun, jeder Bewegungsablauf ist geplant, sie kommen sich nie in die Quere, aber genau das lässt es aufgesetzt und sehr routiniert wirken. Technisch wurde aber sehr viel aufgefahren. Die Bühne strukturiert sich in drei Ebenen. Eine Art dreistufige Treppe, die sich auf der Bühne erhebt und auf denen die Musiker gut verteilt platziert sind. Sehr aufwendiger Aufbau, aber durch den komplett durch choreographierten Ablauf überhaupt nicht mein Ding.
Zum Schluss und als letzte Band des Festivals konnte man sich auf der “Sounds-For-Nature” Bühne noch Kakkmaddafakka zu Gemüte führen. Sehr unterhaltsam und für dieses Festival für mich persönlich der perfekte Abschluss. Die Norweger sind mit ihrer Indie-Pop-Disco-Rap Mischung nicht nur musikalisch sehr interessant, sondern auch durch ihre 70er-Jahre Outfits und sehr lustige Choreo-Elemente der beiden Backgroundsänger schön zu betrachten.
Alles in Allem war das Taubertal Festival wunderschön. Die Location ist traumhaft, das Line-Up jedes Jahr sehr gut. Bleibt abzuwarten wie das nächste Jahr gestaltet wird, da 2015 das 20-jährige Jubiläum des Taubertal gefeiert wird.
Der Campingplatz ist zwar etwas weit weg vom Festivalgelände und vor allem der Rückweg zum Campingplatz ist durch die Steigung sehr ermüdend, aber diese Entfernung hat auch Vorteile. Was ich dennoch niemals verstehen werde: Menschen, die ihren kompletten Sperrmüll auf den Campingplatz mitbringen und alles einfach stehen lassen. Natürlich soll man Spaß haben und das Leben genießen, aber darunter leiden andere Menschen, die diesen Dreck wieder entsorgen müssen. Da reicht nicht mal ein Kopfschütteln.
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