Das erste Album der jungen walisischen Singer-Songwriterin Alex Louise heißt „Lucky“ – und soll glücklich machen – doch im Leben ist pures Glück sehr selten und sogar manchmal so, dass, wenn alles richtig gemacht wurde, das Glück eher kitschig als glücklich empfunden wird. Denn das Geheimnis ist: zum reinen Glück gehören fehlerhafte Momente dazu. Oder, anders gesagt, frei nach dem berühmten Filmregisseur Milos Forman („Amadeus“): „Kitsch ist, wenn man die Scheiße vergisst…“
Zum Glück wurde nicht alles richtig gemacht, beim Mix dieser Debüt-Platte, und es gibt einiges zu verbessern, so dass sich so auf jeden Fall Momente des puren Musikglücks einstellen dürfen.
Es beginnt somit ein wenig zu „gut gemeint“, zu sehr auf Kitschverdacht programmiert, in meinen, von Anfang an aufgrund der erstaunlich reifen Stimme der jungen Sängerin, auf vorschnellen Hörgenuss eingestellte Ohren:
Denn die ersten Lieder (beginnend schon mit„Bad Days“) – entgegen des durchaus klugen, feinfühligen, oder sagen wir: auf jeden Fall authentischen Textes dieser Beschreibung eines typischen „Bad Days“, wie ihn wahrscheinlich jeder ab und zu mit verquollenen Augen und auf Regenwetter getrimmten Horrorspiegelmorgenmomente kennt – wurden leider in ein Pop-artiges Musikzuckergussarrangement verpackt, sodass man von dem eigentlichen Inhalt des Songs nicht mehr viel mitbekommt. Schade.
Das setzt sich dann ebenso fort mit der Ballade „Undercover“, ein trauriger Ende-einer-Beziehung-Text, wirklich berührend, aber auch mit musikalischen Sahnemix bestückt.
Danach kommt „Just forget it all“, das mit einer schönen, fast unplugged klingenden Gitarre anfängt, der allerdings dann wieder in einem belanglosen Poprefrain mündet,
und dem ebenso anfänglich eindrücklich fein ziseliert beginnenden „You don`t see me“.
Und auch wenn man das leichte Unglücksgefühl in den Ohren gutmütig mit einem Oscar-Wilde-Zitat entschuldigen möchte („Das Gegenteil ist auch wahr“), ist man nach dem dritten Song in dieser Richtung – trotz der, wie oben erwähnt, erstaunlich gereift klingenden, sicher im stimmlichen Sattel sitzenden Stimme der jungen Alex Louise zuerst einmal etwas verstimmt: klingt es doch zu 0815, zu gefällig.
Auch der Ankündigungstext setzt auf diese Schiene: die Sängerin möchte angeblich mit dieser Aufnahme Glück in den Alltag, Farbe in traurige Situationen bringen. In meinen Augen (und Ohren) sind diese Aussagen völlig überflüssig.
Doch spätestens nach dem fünften Song namens „Kiss“, übrigens der einzige Song, der nicht mit Sam Bosanquet, sondern mit Frankie Young zusammen geschrieben wurde, wird man aus der anfänglichen Lethargie und des leichten musikalischen Unglücks herausgerissen und fühlt sich plötzlich tatsächlich wie eigens vom Glück geküsst.
Ein fundierter, tiefsinniger und spannungsvoller Song voller Dichte und Ehrlichkeit spult sich verheißungsvoll ins angetane Ohr, was sich bis zum Ende der Scheibe fortsetzen wird. Es wird immer farbiger, ehrlicher, bunter, interessanter.
„Into the night“: beginnt mit glasklarer Stimme, sehr erwachsen und mit einer tiefsinnigen Beschreibung über den Charakter eines anderen Menschen, alles mit einer innerlich tiefen, die Spannungshöhen haltenden Stimme gesungen, sehr berührend.
„Give me something“ , wieder ein Gitarrenintro, mit Celli puristisch begleitet, die Höhen sind ein wenig dünn in der Stimme, aber das macht gar nichts aus, das passt zur Stimmung, es wirkt fast wie ein Folksong. Nachdenklich und sehnsüchtig.
„Water“, ein Pseudoradiointro wie aus den analogen Vorzeiten. Wahrscheinlich aber eher eine Art schlechte Telefonverbindung imitierend, wie aus schwarz-weißen, anderen Zeiten. Dann folgt kurz auch wieder eine leichter Popsong, der aber nun trotzdem etwas sperrig und nicht glatt in die Hörerohrmuschel dringt – wunderbar.
„Don`t talk about love“ beginnt nur mit Stimme, sehr klar und pur, eindrucksvoll und zeitlos. Mit Kraft in der Kehle und leichter Gitarrenbegleitung, man kann sich sehr gut vorstellen, auf einem Konzert mit Alex Louise zu sitzen, sowohl alleine in der Nachbarkneipe als auch auf größerer Bühne, sie zeigt eine Musikalität, die aus ihr selbst herauskommt, ohne größere Verzierungs-Arrangements, die sie wahrlich nicht benötigt.
„City lights“ , lichtvolle Einsamkeit mit Sehnsucht in der Stimme, klare Aussage, einzigartiger Ausdruck.
Das titelgebende „Lucky“ ist ein schneller, rockiger Titel mit Power, musikalisch und rhythmisch sicher, der sehr amerikanisch, aber auch fetzig die Tanzmuskeln zum Schwingen bringt, leicht die schwierige Schnelle gesungen, einen Freude in der Stimme, man möchte mitwippen, und trotzdem gibt es Brüche und keine Gleichmacherei in der Melodie.
„Call me“, der letzte Song auf der Platte erzählt von Warten und Zeit, sie geht wunderbar mit Text und auch nachdenklicher Lautmalerei in der Stimme um und beweist, dass sie wirklich eine sehr variationsreiche Künstlerin ist, sehr berührend, wenn man sie lässt, ihre Abgründe und dunklen Seiten zu zeigen, und dass sie richtig gut singen kann und sich nicht festlegen lässt auf einen Stil, der sie viel oberflächlicher zeigen möchte als sie in der Realität ist und sie es so in keinster Weise nötig hat, sich in eine plumpe Popform pressen zu lassen…
…sodass man sich am Ende glücklich versöhnt zurücklehnen darf und die bunten musikalische Perlen ab Lied fünf im Kopfhörer oder auf dem privaten Dancefloor (Badezimmermatte, im Wasser, in den City Lights, oder am Handy ) auf Endlosschleife stellen kann.
Wunderbar. Danke. Du hast uns tatsächlich den Tag versüßt, liebe Alex Louise. Aber ohne Zuckerguss. And: Yes…I will call you again! What a wonderful day!!
Anspieltipps
- Kiss
- Lucky
- City Dreams
- Call me
Details
- Band: Alex Louise
- Titel: Lucky
- Label: G-Records
- Erscheinungsdatum: 26.09.2014