Amanda Palmer & The Grand Theft Orchestra – Theatre Is Evil

Who Killed Amanda Palmer fragte sie auf ihrem Erstlingswerk, jetzt wartet sie mit einem Statement auf: Theatre Is Evil. Der unbefangene und aufgeschlossene Leser dieser Seiten vermag jedoch zu fragen: Who the fuck is Amanda Palmer überhaupt?

Ein paar Fakten: Amanda Palmer hat keinen Plattenvertrag, das neue Album, die Tour und Vermarktung sind komplett durch Crowdfunding via Kickstarter finanziert. Amanda Palmer ist eine Art Social Media Braut, die das Netzwerken auch begreift, immer im Austausch und Kontakt mit Fans und der Welt via Blog, Twitter, Tumblr und Facebook ist und Fans und Medien ganz nach ihrem Motto „We are the media“ einzubinden weiß, was von Übernachtungsmöglichkeiten und Verpflegung für Band bei Fans, über Austausch von Kunst und Mitspielen von lokalen Musikern bei den jeweiligen Konzerten, bis hin zu sogenannten Ninja-Gigs geht, wo vor dem geplanten Konzert meistens am Nachmittag, mit einer Ukulele bewaffnet, öffentlich, flashmobmäßig und oft nicht ganz so legal ein Mini-Gig gegeben wird. Amanda Palmer, in New York geboren, nahe Boston aufgewachsen, hat in Deutschland Germanistik studiert und ist künstlerisch ein kleines bisschen von der Weimarer Ära um Kurt Weill und Bertolt Brecht besessen. Amanda Palmer hat vor ihrer „Solokarriere“ mit The Dresden Dolls eine handvoll Platten herausgebracht, die allesamt – und ich weiß, dass ich das Wort hier ein bisschen inflationär gebrauche, aber verdammt nochmal – großartig sind! Und genau das, meine Damen und Herren, ist Amanda Fucking Palmer! Wie sie sich übrigens selbst nennt, kurz AFP.

Theatre Is Evil hat Amanda mit ihrer neuen Band The Grand Theft Orchestra aufgenommen, wohl ein neuer, fester Bestandteil ihres weiteren Schaffens. Und die Platte ist wieder ganz toll geworden. Getrieben vom typischen AFP-Sound und ergänzt mit ein bisschen 80er-Atmosphäre, mal karg, mal bunt, meistert das Album bravourös den Balanceakt zwischen überschwänglichem Pathos, entwaffnender Selbstironie und kleinen, schmerzhaften Wahrheiten.

Mit Want It Back hat Amanda einen perfekten Indiepopsong geschrieben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er in ein paar Jahren in irgendeiner US-TV-Serie auftaucht und dann zum kleinen Hit mutiert, was wiederum Geld in die AFP Kriegskassen auf dem Weg zur Weltherrschaft einspült. Und womit? Mit Recht! Übrigens kann man im Video zu Want It Back wieder mal bestaunen, dass Frau Palmer überhaupt keine Probleme mit der eigenen Nacktheit hat. Dass sie in den Anfangstagen von The Dresden Dolls noch nebenbei als Living Statue auf der Straße und als Stripperin in einem Nachtclub arbeiten musste – übrigens mit dem sexy Strippernamen Berlin, worüber auch der Song mit eben diesem Titel auf dem Album handelt – ist wohl eher eine Folge ihrer Freizügigkeit als deren Ursache, wenn ich das hier mal salopp küchenpsychologisch analysieren darf.

Die herzzerreißenden, fragil auf dem Piano vorgetragenen Trout Heart Replica und The Bed Song sind ältere, live schon oft gespielte Stücke, ganz im Zeichen des traditionellen AFP-Sounds, die es endlich auf ein Album geschafft haben und hier erstmals in einer Studioversion vorliegen. Das sehr eindringliche und düstere Grown Man Cry ist eigentlich total untypisch, aber trotzdem ein kleines Meisterwerk. Und Bottomfeeder ist ein Biest von einem Song, der sich langsam heranschleicht und hineinbohrt. Ins Ohr. Ins Herz.

Aber ich möchte hier nicht nur herumschleimen, denn Verrisse zu schreiben macht ja bekanntlich mehr Spaß. Die Lautstärke des Intros ist unverhältnismäßig zum Rest der Platte. Bei normaler Lautstärke hört man das Intro kaum und wenn man lauter dreht, bläst einem der Nachfolgesong den Tinnitus durch die Gehörgänge. Das ist irgendwie ein gängiges Phänomen auf Platten mit Intros, Outros oder Interludes, ich kapiere es einfach nicht. Apropos Nachfolgesong, Smile (Pictures or It Didn’t Happen) zieht sich ein bisschen für meinen Geschmack, A Grand Theft Intermission ist gegen Ende hin etwas von Am I Evil von Diamond Head sagen wir „inspiriert“ (aber vielleicht denke ich das nur, weil ich Metallicas Cover davon schon einfach zu oft gehört habe), genau wie Melody Dean Inspiration von My Sharona von The Knack bezieht, auch wenn mit einem Augenzwinkern. Und Massachusetts Avenue ist einfach nur The Jeep Song Version Zweipunktnull. Und vielleicht ist das Album mit über 71 Minuten auch ein bisschen zu lang, aber all das ist natürlich sehr subjektiv und schon wieder Jammern auf hohem Niveau, denn seien wir uns doch ehrlich, die Platte ist schon sehr super!

 

Anspieltipps

  • Want It Back
  • The Bed Song
  • The Killing Type
  • Grown Man Cry
  • Trout Heart Replica
  • Bottomfeeder

 

Hier kann man das ganze Album im Stream hören: amandapalmer.net/music

Hier kann man sich das ganze Album gratis und legal runterladen oder selbst den Preis bestimmen, den man dafür zahlen will, um die Künstlerin zu unterstützen: amandapalmer.net/shop/pay-what-you-want

Und hier kann man Amanda Palmers restliches Schaffen gänzlich im Stream hören und teilweise auch kaufen: music.amandapalmer.net

(Für Interessierte) Kostenauflistung für Album und Tour:

 



Dieser Beitrag wurde am von Dawid veröffentlicht • Kategorie: Tonträger Reviews • Tags:






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