Vor einigen Wochen bekamen wir Singer/Songwriter Matze Rossi in Nürnberg vor’s TrueTrash Mikro. Das gesamte Gespräch über aktuelle und vergangene Projekte und das Thema Punkrock und Familienplanung hier im Volltext.
Du bist ja jetzt auch schon ein Paar Jahre unterwegs, erzähl doch bitte mal von deinen vergangenen und aktuellen Projekten.
Ich mache jetzt seit über 20 Jahren Musik, toure, bin unterwegs, es hat sich auch dahingehend was geändert, dass ich mit meinem Leben n bisschen anders umgehe. Früher war das nicht so arg bewusst, nicht so drauf geachtet wobei ich das jetzt intensiver mach. Da kommt auch dazu, dass ein guter Freund von mir, der Wauz von Red Tape Parade, letztes Jahr auch gestorben ist, der mich in seinen letzten Monaten noch sehr inspiriert hat, wie sehr er sein Leben genossen hat und wie positiv er auch mit der Krankheit umgegangen ist. Das hat bei mir auch nen Schalter umgelegt, also gerade die Zeit die man hier hat positiv zu nutzen, also nicht so viel Zeit zu verschwenden Sachen scheiße zu finden sondern das was geht zu ändern und alles andere mehr oder weniger zu lassen.
Wie läuft es jetzt mit den Bad Drugs weiter?
Der Fokus liegt momentan klar bei Rossi, mit den Bad Drugs werden wir halt einfach Shows spielen, die uns angeboten werden, da sind wir jetzt nicht auf Konzertsuche, es kommen viele Anfragen und viele müssen wir auch absagen aber wenn wir es Zeitlich schaffen, wenn Sven gerade nicht beim Tauchen ist und Basti in Berlin keinen Job hat, spielen wir die auch, und Ende des Jahres haben wir vor die zweite Platte aufzunehmen.
Wie läuft das dann bei euch ab?
Ich schreib die Songs dann zu Hause mehr oder weniger fertig, dass halt so das Grundgerüst steht und die anderen bekommen das dann per Internet und dann treffen wir uns für ein Probewochenende wo dann auch jeder noch ein Paar Ideen einbringt und danach schließen wir uns halt für ein Paar Tage im Studio ein.
Wieso bist du eigentlich wieder ohne Band unterwegs? Im Promotext zu deiner neuen Platte steht, dass du ja wirklich alles mögliche machst. Wie schaffst du es das alles unter einen Hut zu bringen und dann noch dazu komplett DIY ne Platte zu machen?
Das werde ich sehr oft gefragt. Ein Punkt ist natürlich der, dass ich so ne Art Motor in mir hab, die Musik, die mir Kraft gibt, dann noch das Yoga, also ich mach Dinge die mir Spaß machen, hab ne tolle Familie, die hinter mir steht und mich auch unterstützt, von daher ist es mir auch möglich das zu machen wobei ich schon auch merke, dass ich da manchmal an meine Grenzen komme, wenn ich zum Beispiel in Berlin spiele abends und am nächsten Tag um 8 Uhr Unterricht an der Fachakademie geben muss, dann ist das schon echt krass, wenn ich dann quasi direkt aus dem Auto auf die Arbeit gehe. Ich möchte das halt auch mitnehmen so lange ich noch so fit bin, wenns weniger geht muss ich einfach irgendwas reduzieren, für nächstes Jahr hab ich mir vorgenommen weniger zu arbeiten und dafür mehr Musik zu Machen.
Was gibt’s denn zur neuen Platte so zu erzählen?
Sie ist für mich auch ein Wendepunkt weil eben auch so ein langer Break da war, 2011 kam das letzte Studioalbum, 2012 die Live at Lala Studios, ich ha in der zwischenzeit natürlich auch Songs geschrieben, auch aufgenommen und vorproduziert aber ich war damit nie so wirklich zufrieden. Wusste auch nicht wohin das gehen sollte und hab dann halt die Zeit anders genutzt, auch mit Bad Drugs und hatte danach wieder so richtig Lust zu sagen okay, ich nehm jetzt ne Platte bei mir im Keller auf und wollte das eben ohne diesen ganzen Schnickschnack, ohne große Instrumentierung oder Arrangements um quasi den Kern eines Songs aufzunehmen. Ich hab die dann abends nach der Arbeit wenn die Kinder geschlafen haben aufgenommen und die Songs dann Stück für Stück erarbeitet, das war für mich auch ein schöner Prozess, ich bin da auch echt zufrieden mit, es klingt ein bisschen heimischer, nach Homerecording und ein bisschen dreckig, an manchen Stellen singe ich auch ein bisschen schief aber das ist alles der first take, die erste Aufnahme und ich hab es auch geschafft auszudrücken was ich ausdrücken wollte!
Du hast ja mit Dancing in the Dark Records dein eigenes Label gegründet. Wieso eigentlich?
Ich mache die Sachen einfach gerne selbst, gerade wenn es Herzensangelegenheiten sind. Und in Sachen Label hatte ich eigentlich nie große Ambitionen woanders hin zu gehen. Natürlich hab ich mir das schon öfter mal überlegt woanders hin zu gehen, hab auch schon mit ein Paar Labels gesprochen aber im Endeffekt öchte ich die Sachen selbst machen. Das liegt wahrscheinlich auch mit daran, dass ich aus dem Punkrock komm und da einfach diese DIY Geschichte, die ich eben auch wichtig finde, mit da ist.
Du hast ja auch sehr viel teilweise recht prominente Rezeption auf deine Neue Platte bekommen, woher kennst du diese ganzen Leute?
Das liegt wohl daran, dass ich so alt bin und viel unterwegs war. Ich kenn sie halt von Konzerten, vom unterwegs sein, teilweise haben wir in den gleichen Bands und Projekten gespielt.
Wie schaffst du es eigentlich Punkrock und Familie unter einen Hut zu bringen?
Das Ding ist ich arbeite auch Konstant, ich arbeite als Dozent und bin relativ flexibel weil ich meine Schüler und Studenten in der Praxis besuche. Die Familie steht bei mir an erster Stelle, aber sie steht auch hinter mir und unterstützt mich wo sie können. Da ist koordinieren, absprechen und arrangieren sehr wichtig. Punkrock bedeutet ja nicht gleich Egofilm, ads man jetzt sagen ich scheiß auf alles, ich muss das jetzt so durchziehen. Mir sind halt alle Sachen die ich mache wichtig, Familie steht aber an erster Stelle. Natürlich sind da manchmal auch Reibungspunkte und das Unterwegssein bringt natürlich auch Kofliktpotenzial mit sich aber im großen und ganzen funktioniert es denke ich.
Wie sieht es mit deiner musikalischen Sozialisation aus?
Meine Eltern haben mich da schon geprägt, gerade mit Singer-Songwriter Geschichten, also gerade so Sachen Wie Dylan, die Stones und Beatles. So mit 10/11 hab ich dann Punkrock für mich entdeckt, angefangen mit den Hosen über Ärzte und Slime und dann auch Clash, was meine Eltern auch viel gehört haben. Musik war schon ein ständiger Begleiter.
Wie sieht es denn mit deinen Lieblingsplatten aus?
Ich hab doch ne recht große Plattensammlung aber es gibt doch einige Meilensteine. Also zum Beispiel in Sachen Punkrock NoFX, gerade die Longest Line 92 war so ein Meilenstein für mich. Oder die Punk in Drublic natürlich, No Control von Bad Religion war auch wichtig für mich, vielleicht Nach uns die Sintflut von den Ärzten und Ein kleines Bisschen Horrorshow von den Hosen waren auch so ein Einstieg für mich. Dann auch von den Pixies eigentlich alle Platten. Und was neuere Sachen angeht, Waxwing, die Band von Rocky Votolato, aber ich höre da auch recht breit gefächertes Zeug.
Was war deine größte musikalische Enttäuschung?
Naja wirkliche Enttäuschungen hatte jetzt nicht aber Ernüchterungen. Ich hab dann viel reinprojiziert hab also nach dem Motto Geil, was müssen das für Typen sein. Das ist schon ein bisschen her aber mir ging’s bei Exploited so. Ich war ziemlich großer Exploited Fan, dann haben die irgendwann mal gespielt und das war dann so langweilig und die Typen waren so kacke, zumindest an dem Abend. Dass der Sänger so ein Idiot ist wusste ich bis dahin gar nicht, das war mit 14 oder 15. Irgendwann hab ich aufgehört so viel in sowas rein zu projizieren, weil dann wird man meistens enttäuscht. Manchmal geh ich auch auf Konzerte, bei denen ich auch n Bild von den Bands hab aber ich hab mittlerweile eigentlich alles gesehen wovon ich enttäuscht sein könnte, vielleicht noch dass se schlecht spielen aber das war’s dann auch.
Obwohl du keine politischen Texte schreibst bist du ja durchaus auch politisch aktiv, besonders in Sachen Tierrechten. Wieso?
Teilweise kommt es natürlich schon durch, jetzt nicht als Parole aber dieses Grundcredo das Leben zu genießen und andere Geschöpfe genau so gut zu behandeln wie man selbst behandelt werden möchte, das kann man glaube ich doch zwischen den Zeilen lesen. Aber der Grund warum ich jetzt keinen expliziten Tierrechte-Song oder ein Gegen Nazis Lied schreib ist, dass es viele Bands gibt, die das gut machen und ich dadurch das Gefühl hab, dass ich das nicht machen muss. Manchmal wenn ich Lust drauf hab covere ich halt mal nen Song von Propagandhi in dem das dann drinsteckt aber wenn ich selbst sowas schreiben würde müsste ich viele Sätze benutzen die schon mal jemand gesagt hat und dabei komm ich mir total blöd vor.