Neoton stammen aus Braunschweig und spielen laut Selbsteinschätzung „deutschsprachigen Rock mit ausdrucksstarken Texten und einem Hauch Alternative Punkrock“. Dass hier augenscheinlich der Begriff „Deutschrock“ vermieden werden sollte, ist schon einmal sympathisch, denn die Suppe, die in der Regel unter der Bezeichnung firmiert, ist ja doch häufig eher zweifelhafter Natur. Der Punkrock, der Einfluss auf die Musik von Neoton genommen hat, ist eher der metallische der späten 90er und frühen 2000er Jahre, was vor allem an der Gitarrenarbeit Spuren hinterlassen hat. Spielerisch ist das alles auch ziemlich anständig umgesetzt, die Jungs können ihre Instrumente spielen. Doch dann gibt es ja noch das „Aber“…
Die „ausdrucksstarken Texte“ wirken oft zu bemüht, zu hölzern, gerade, wenn es in den Bereich der Sozialkritik geht; in „Plusminus Null“ etwa wird ein Weltuntergangsszenario gezeichnet, das quasi zu bewussterem Umgang miteinander und auch mit der Umwelt aufrufen soll. Gut gemeint, aber doch nur mäßig gut umgesetzt. Ähnlich geht es mir bei „Es regnet“, in dem es um (mangelnde) Zivilcourage geht, von der Sache her absolut richtig, aber an der Umsetzung hätte lieber noch gefeilt werden sollen.
In einem Stück wie „Wir“ wird dann auch spätestens im Refrain recht deutlich, dass man ein wenig in Richtung Radio schielt und es wird seicht bis kitschig. Diese Mainstream-Ambitionen werden auch darin deutlich, dass man im Begleitschreiben darauf hinweist, dass das Studio, in dem das Album aufgenommen wurde, bereits für Rea Garvey und Silbermond gearbeitet hat. Das sind jedenfalls nicht die Referenzen, an denen sich der Underground misst.
Dann gibt es da noch die Ska-Parts in „Ich bin weg“, die einfach viel zu hölzern klingen, das kommt leider überhaupt nicht locker rüber, als hätte man sich irgendwann gesagt „Jungs, wir brauchen noch was mit Ska-Einflüssen.“. Und das ist leider auch nicht die einzige Stelle, wo Übergänge und einzelne Parts eher geplant als „natürlich“ klingen.
Es gibt aber auch Lichtblicke, es sind gute Ansätze vorhanden und ein Song wie „Mir ist kalt“ erinnert angenehm an Schrottgrenze, wenn auch ohne deren Klasse zu erreichen, aber darauf kann man aufbauen. Auch „Leben! Lieben! Leiden!“ gefällt mir recht gut, auch der Gesang, der mir sonst nicht so gut ins Ohr geht, was Tonlagen, Betonungen und Rhythmik angeht, sagt mir bei dem Stück am meisten zu.
Für die Zukunft braucht das alles definitiv insgesamt mehr Fluss, die Stücke müssen weniger wie am Reißbrett entworfen klingen, aber ein solides Fundament ist gegeben.
Anspieltips
- Mir ist kalt
- Leben! Lieben! Leiden!
Details
- Band: Neoton
- Titel: Negativitätstheorie
- Label: Eigenproduktion in Kooperation mit EMG
- Erscheinungsdatum: März 2015