Ferdinand Führer und Roland van Oystern sind spätestens seit ihrem famosen “Homestory Magazin” keine Unbekannten mehr. Im Winter 2014 / 2015 verbrachten die beiden 80 Tage in Haus 104 in Alma Vii, einem rumänischen 200 Häuser Dorf, und führten dort jeweils Tagebuch über den anderen. Daraus entstand das Buch “Ein Tag Hagel und immer was zu essen da“, das ab sofort über den Ventil Verlag (“Kochen ohne Knochen”, Egon Forever, uvm.) zu haben ist.
Wie kommt man auf die Idee so etwas zu tun? Ich meine, es gibt naheliegenderes als mitten im Winter (Bei Temperaturen von teilweise Minus 25 Grad) in die rumänische Pampa zu fahren. Im Vorwort (das die beiden selber schreiben mussten, da Prinz Charles (Schirmherr einer Stiftung die in Rumänien unter anderem alte Bauernhäuser renoviert und vermietet) selbiges leider nicht schreiben wollte), heißt es dazu: “Ursprünglich stand Kuba auf unserem Reiseplan. Da hätten wir das Buch nachher “Kuba” nenn und so einen roten Stern vorne drauf machen können, denn das gefällt den Leuten. und dann hätten es vielleicht auch ein paar mehr gekauft. Aber Kuba war uns einfach zu teuer und eigentlich auch zu aufregend. Abenteuer sind uns am liebsten in den Aufzeichnungen anderer. Wenn Phileas Fogg in 80 Tagen um die Erde reiste, sollte es für uns nur recht und billig sein, dieselbe Zeit in einem Kaff von Rumänien abzusitzen. Und zwar im Winter.”
Nach dem Vorwort schreibt Roland über Ferdinand und Ferdinand über Roland jeweils so eine Art Einleitung beziehungsweise die Geschichte ihres Kennenlernens. Da erfährt man dann beispielsweise, dass Roland ein wirklich miserabler Autofahrer sein muss (“Roland ist kein guter Autofahrer. Er fährt nicht total schlecht, aber er fährt sehr langsam und unsicher. Seinen Sitz stellt er stets auf die vorderste Stufe, so dass sein Gesicht fast unmittelbaren Kontakt mit der Windschutzscheibe aufnimmt. Autobahnfahrten gehen, Stadtverkehr ist schlimm. Oft bringt der das Fahrzeug inmitten einer Kreuzung völlig grundlos komplett zum Stehen, zum Leidwesen der Verkehrsteilnehmer hinter uns, und natürlich mir.”).
Im Anschluss folgen die eigentlichen Tagebücher, in welchen uns die beiden an ihrem Leben und ihren Problemen in der Einöde teilhaben lassen. Das Leben in einem kleinen und abgeschiedenem Dorf, in einem Haus ohne Telefon und Internet. Den Fahrten in die nächste größere Stadt, um dort Sonntags einen Internet-Raum aufzusuchen. Die tägliche morgendliche (14 Uhr) Joga-Stunde. Der Ärger mit den wirklich biestigen Holzöfen (“Ferdinand stellt Überlegungen zur Optimierung seiner Zimmereinrichtung an: “Vielleicht wenn ich das Bett direkt neben den Ofen stelle, dann könnte ich vom Bett aus nachlegen, vielleicht sogar im Schlaf?””), die es nicht schaffen das Haus auch nur ansatzweise warm zu bekommen. Damit verbunden die Probleme mit kalten Füßen. Außerdem zickt die Dusche. Mal tröpfelt sie, mal ist sie arschkalt, dann wieder brüh-heiß. Außerdem lassen uns die beiden an ihren kulinarische Wunderwerken teilhaben. Im wesentlichen Gemüsepampe aus Dosen mit viel Salz. Das klingt nach wahrer Gaumenfreude.
Natürlich haben die beiden auch mit dem alltäglichen Miteinander zu kämpfen. So hat beispielsweise Roland Angst, dass das Druckerpapier (welches eigentlich zum Schreiben benötigt wird, aber meist zum Anzünden der Öfen verwendet wird) zur Neige gehen könnte. Deshalb schmuggelt er bei einem Supermarkteinkauf heimlich welches in den Einkaufswagen. Ferdinand toleriert dies großmütig, da die Papiernot für Roland real sei “und ich [Ferdinand] ihn nicht schon wieder mit seiner Fehlinterpretation der Wirklichkeit konfrontieren möchte. Da wird er dann immer etwas patzig.”.
Auch ihre guten Gespräche (für die die beiden wahrlich viel Zeit hatten) enthalten uns Roland und Ferdinand nicht vor. Besonders gut gefällt mir folgender Auszug:
“Gelegentlich wird er [Ferdinand] in eine Rolle gedrängt, die er gerade als emanzipierter Mann keinesfalls annehmen möchte. Immer wieder, wenn ein Haushaltsgerät oder anderer technischer Firlefanz nicht funktioniert, fordert seine Freundin von ihm es sich anzusehen, schlimmer noch: zu reparieren, dafür zu sorgen, dass es wieder funktioniert. Dabei verspürt er ebenso wenig Interesse wie sie, sich mit so etwas auseinanderzusetzen. “Ich habe eine Recht auf zwei linke Hände!” rief er aus, und ergänzte: “So kannst du mich zitieren, hörst du, wörtlich!””
Zum Abschluss ihres Aufenthalts geben die beiden noch ein Konzert in Alma Vii und laden das gesamte Dorf ein. Sogar der Bürgermeister der Gemeinde unterstützt das Vorhaben. Und wider Erwarten kommen nicht nur 20 Personen, sondern 100. Ein voller Erfolg also (und das nicht nur wegen Freibier und Frei-Wein).
Neben ihren Tagebüchern über den jeweils anderen haben Roland und Ferdinand auch noch abstruse Kurzgeschichten geschrieben, die ebenfalls in dem Buch abgedruckt sind (zwischen den Tagebucheinträgen). Und auch einige Gedichte. Ich bin ja geneigt zu sagen, dass diese schlecht sind. Aber ich habe keine Ahnung von Gedichten. So gar gar keine. Deshalb formuliere ich es neutral: Die Gedichte sind nicht so meins.
Und da man sich ja nicht nur mit Tagebuch- und Gedichte schreiben beschäftigen kann ist während des Rumänien-Aufenthalts direkt auch noch eine CD entstanden (Aufgenommen direkt im DIY-Studio in Alma Vii). Durchaus naheliegend, schließlich kennen sich Ferdinand Führer und Roland van Oystern ja doch schon eine ganze Weile und sind auch in der ein oder anderen Band aktiv. Passend zur trist-traurigen Stimmung in Alma Vii sind die acht Songs melancholisch angehauchte Gitarren-Songs, die sich mit den Problemen der beiden Protagonisten während ihres Aufenthalts befassen: Der Kälte, dem Ofen, und dem Fakt, dass keinerlei junge Damen im Dorf ihrer Wahl wohnten.
Auch wenn Prinz Charles das Vorwort nicht schreiben wollte – das Buch ist äußerst empfehlenswert. Abgesehen davon, dass Roland und Ferdinand sympathische Menschen wie Du und ich sind (Beispielsweise wie sie sich wundern, warum der Strom denn “weg sei”, die Sicherung sei ja noch drin. Allerdings nur die Hauptsicherung und nicht die fünf anderen Sicherungen. Wer kennt sowas nicht?), sie können vor allem eines: Sehr charmant, wortgewandt und witzig schreiben.
Details
- Autoren: Ferdinand Führer / Roland von Oystern
- Titel: Ein Tag Hagel und immer was zu essen da
- Verlag: Ventil Verlag