Turbostaat – Die Zweite. Nachdem wir schon im September 2014 die Gelegenheit hatten ein ausführliches Interview mit den Husumer Deutschpunkheroen zu führen, haben wir Bassist Tobert während ihrer Mini-Promotour in Dresden vor das Mikro bekommen um ihm einige Fragen zum neuen Longplayer „Abalonia“ zu stellen.
Die Texte auf Abalonia sind für eure Verhältnisse überraschend klar, war das eine bewusste Entscheidung um Deutungsspielräume von vornherein zu vermeiden? Love A hatten ja mal das Problem, dass ihr Song Windmühlen auf Facebook auch von Nazis promoted wurde.
Also was das Thema angeht – Turbostaat ist eine Punkband mit einem linken Selbstverständnis, was das bei Love A angeht, sowas hat in den meisten Fällen mit massiver Blödheit zu tun. Wenn sich gänzlich anders gemeinte Inhalte angeeignet werden kann ich das nicht wirklich ernst nehmen, sich als Nazi Punkmusik zu klauen ist einfach hohl. Und zu den Texten kann ich dir leider nicht so viel sagen weil die Marten schreibt. Was ich aber definitiv sagen kann ist, dass es durch die Zeit in der wir leben bedingt ist, dass einige Dinge einen zugänglicheren Ausdruck finden.
Es ist erschreckend wie genau ihr Deutschland 2015 ein Jahr vorher schon beschrieben habt.
Ja, das hat aber bestimmt nichts mit Voodoo zu tun. Die Zeichen waren da, das passiert alles auch nicht zum ersten Mal. Wenn du dir mal die Entwicklung in der Flüchtlingspolitik oder das Aufbegehren von irgendwelchen Fantasyidioten bezüglich ihres vermeintlichen Funky-Patriotismus, dann ist es ja nicht so, dass du das nicht kennst und den Anfängen wehren könntest, wir kennen diese Pappnasen ja und wissen, was sie vorhaben. Ich glaube nicht, dass es maßgeblich so war, dass eine Prognose gestellt werden sollte, es passt einfach gerade.
Das sind ja auch alles Mechanismen, die sich immer wieder wiederholen.
Klar, und entsprechend muss man solche Aussagen auch wiederholen. Wir waren ja auch bei Circus Halli Galli wo du eine ganz andere Resonanz kriegst. Genau dann ist es wichtig diese Plattform zu nutzen und Aussagen zu wiederholen, die wir eigentlich für selbstverständlich halten um Menschen, denen das nicht so bewusst ist zu sagen „Das ist der Punkt, darum geht’s.“
Ihr spielt heute Abend ja in Dresden, einer Stadt mit massivem Symbolcharakter auch für die neue Rechte.
Für mich hat die Stadt Dresden damit primär erst mal nichts zu tun. Dresden steht für mich für die Groovestation, für das Beatpol, für nette Leute, den Bürgermeister. Also nicht den Dresdner OB sondern wir nennen den Typen der hier die Konzerte macht so. Ich habe hier viele Bekannte, verbringe hier sehr gerne Zeit und würde nicht mal mit einer Anmerkung irgendwelchen Idioten die Zuordnung zu dieser Stadt überlassen, ich würde es auch schade finden wenn sich das in der Geschichte verankert. Die ganzen coolen Leute, die hier wohnen können nichts dafür, dass ein paar Idioten nen Dicken machen.
Flucht und die Sehnsucht nach einem besseren Leben ist ein zentrales Motiv von Abalonia. Lassen sich da auch gewisse Parallelen zu eurer Provinzflucht ziehen?
Ja, mit Sicherheit, das ist immer dabei. Auch in einem Gespräch mit einem Bekannten ist mir bewusst geworden, dass ich zwar ein tolles Leben habe, ich meine ich habe Familie, mein Job ist es in einer Punk-Band zu spielen, aber in mir ist immer noch dieses Gefühl von meinem 19-jährigen Ich, das halt einfach weggefahren ist. Also jedes mal wenn ich Husum wieder verlasse nachdem ich meine Mutter besuche habe ich einen Trigger auf dieses Gefühl. Da gibt es so ein paar Wegpunkte, wenn ich die passiere fühle ich mich komplett. Ich werde wohl auch nie zurückgehen, ich könnte das nicht. Mein Gehirn ist quasi auf Reisen gegangen, es war so klein als ich da raus gefahren bin und jetzt ist es ziemlich dicke.
Geistschwein, Totmannkopf, Wolter. Könnt ihr euren Songs keine normalen Namen geben?
Nein, das können wir nicht. Wir haben in 17 Jahren Bandgeschichte so einen Syntax miteinander und eines dieser verselbstständigten Dinge, die aber trotzdem total viel Spaß machen ist dieses gemeinsame Amüsieren über Witze. Also Kussmaul stand zum Beispiel mal auf einem Laster an dem wir vorbeigefahren sind, das ist der Name einer Spedition. Aus irgendeinem Grund haben Speditionen ganz oft sehr absurde Namen. Wolter hat tatsächlich einen konkreten Bezug, Totmannkopf ist auch etwas konkretes, das Ding existiert und Geistschwein ist eine Zelda-Referenz.
Was hat es mit dem Sehnsuchtsort Abalonia auf sich?
Menschen googlen das tatsächlich und finden dann so Sachen wie den Versuch einer konstitutionellen Monarchie oder meine Mutter hat gemeint, du hattest doch mal so ein Spiel mit weißen und schwarzen Steinen, hat das etwas damit zu tun? Aber das ist eine Art Platzhalter der komplett unbelegt funktioniert. Ich bin so ein Halbmisanthrop aber trotzdem auch ein bisschen Sehnsüchtig und ich finde die Vorstellung, ein Ziel zu haben, das so eigentlich nicht existiert recht schön, worauf man sich auch einigen kann.