Es ist also wieder so weit: die ganze Stadt versinkt im nachweihnachtlichen Trouble, alle fangen an Silvesterpartys zu planen und überall erscheinen Jahresrückblicke. Nachdem wir von TrueTrash natürlich auch als ernsthafte Journalist_innen wahrgenommen werden wollen müssen wir wohl auch auf diesen Zug aufspringen entsprechend gibt es hier meinen persönlichen, natürlich komplett subjektiven Jahresrückblick in no Particular Order:
Alben
Title Fight – Hyperview
Auch wenn ich mich nach dem ersten Anhören gefragt habe was denn aus dieser Band geworden ist hat sie immer und immer wieder eine Chance bekommen. Als dann schließlich die Sommerhitze kam ist der Groschen gefallen. Hyperview ist ein angenehm ruhiges, atmosphärisches Album, also Ideal um in der Sonne zu liegen und sich der eigenen Lethargie hinzugeben. Aber auch wenn der Sommer mittlerweile vorbei ist, schafft es diese Platte immer noch zu begeistern.
Love A – Jagd und Hund
Brennt alles Nieder, Fickt das System. Diese Zeile, gesunden von einem Chor ist das perfekte Ende einer Platte. Love A haben dieses perfekte Ende geschaffen. Aber auch der Rest der Platte ist äußerst beachtenswert und das behaupten nicht nur kleine Szenemagazine, Jagd und Hund wurde auch im Feuilleton viel beachtet und die müssen es ja wissen. Mit leicht wavelastigem Punk und wütenden wie klugen Texten haben Love A es schließlich mit ihrem dritten Album geschafft eine der vielleicht wichtigsten Platten des Jahres zu veröffentlichen.
Freiburg – Brief und Siegel
Ich könnte es mir jetzt natürlich leicht machen und meine Review der Platte herauskramen aber nachdem Selbstzitate nunmal nicht cool sind spare ich mir das mal. Der Vierer aus dem tiefsten Westen hat es mit der dritten Platte endlich geschafft sich vom „großen Bruder“ Turbostaat zu emanzipieren, während die Herren aus Flensburg eher zur Altersmilde neigen sind Freiburg auf Brief und Siegel deutlich wütender, härter und rauer geworden – und das steht ihnen verdammt gut. Und Songs wie Tote Herzen und Sommer, Roggen und Er, inklusive Feature von Duesenjaeger-Sänger Tobi Neumann sind einfach große Klasse.
Zugezogen Maskulin – Alles Brennt
In Sachen HipHop bin ich sehr selektiv, das mag meiner musikalischen Sozialisation geschuldet sein, oder aber den Ressentiments dem Genre gegenüber, sprich sexistisch, homophob und latent antisemitisch. Zugezogen Maskulin haben damit aber zum Glück nichts zu tun und mit Alles Brennt eine angenehm wütende und textlich wie musikalisch großartige Platte veröffentlicht.
Hier treffen energetische Trap Beats auf Zeilen wie
Kauf ich Schuhe von Nike oder Adidas?
Solche Fragen quälen mich, während du ‘ne schöne Bootsfahrt hast
Wir Deutschen haben es schwer
Du schaust in meine Augen und steigst aus Mitleid vom Baum
So muss HipHop!
Beach Slang – The things we do to find people who feel like us
Das Debüt von Beach Slang ist wohl eine der am meisten erwarteten Platten 2015. Die Band aus Philadelphia hat mit ihren beiden bisher veröffentlichten EPs schon gehörig von sich reden gemacht und diese Erwartungen auch nicht enttäuscht. Auch wenn es vielleicht nicht unbedingt eine der Abwechslungsreichsten Platten ist funktioniert es einfach. Musikalisch irgendwo zwischen den frühen Gaslight Anthem und The Menzingers füllen Beach Slang eine Nische die momentan einfach verdammt gut funktioniert – und das zu recht. Langsamer Emopunk mit Reibeisenstimme ist einfach super. Gespannt bin ich auch auf ihre Tour im Februar nächsten Jahres.
Songs
The Smith Street Band – I scare myself sometimes
Vielleicht hat es ja schon jemand mitbekommen – ich liebe diese Band. I scare myself sometimes ist ein wunderschön trauriger Song und, dass sich die Stimmen von Lucy Wilson und Wil Wagner super ergänzen haben sie ja auch schon unter Beweis gestellt.
Koeter – Klima der Angst
Man sagt wir sind zu gleichen teilen Blöd, doch ihr seid blöder. Mehr gibt es nicht zu sagen.
Turbostaat – Abalonia
Turbostaat sind auch eine dieser Bands, die einfach nichts falsch machen können. Und Abalonia macht unglaubliche Lust auf die gleichnamige Platte.
Zugezogen Maskulin – Oranienplatz
Eine wunderschöne Auseinandersetzung mit der Flüchtlingsproblematik.
Freiburg – Tote Herzen
Die Auseinandersetzung mit deutschem Nationalismus ist so alt wie Punk selbst, nichtsdestotrotz ist sie leider nach wie vor ein Thema. Freiburg haben es – einfach wie genial – umgesetzt ohne dabei in plakativen Stumpfsinn zu verfallen. Ein Revolver an den Verstand – Tote Herzen schlagen nur für ihr Land.
Beach Slang – Bad Art & Weirdo Ideas
Die Melodie, die sich vom Intro durch den ganzen Song zieht ist verdammt catchy und lädt zum in der Sonne liegen ein.
Love A – Trümmer
Und am neunten Tag erschlug Steve Jobs die Liebe.
Allison Weiss – Golden Coast
New Love von Allison Weiss hat an der Liste oben gekratzt – es am ende aber leider nicht geschafft. Golden Coast aber schon – wunderschön verträumt-melancholischer Indiepop – Yeah!
Konzerte
The Smith Street Band // Cross Club, Prag
250 Kilometer für ein Konzert zu fahren ist durchaus im Rahmen wenn sich das ganze mit einer kleinen Reise verbinden lässt, so geschehen für die Smith Street Band in Prag. Ein schweißdurchsetzter Raum, der auf vielleicht hundert Personen ausgelegt ist, gefüllt mit gefühlten 150 Menschen, die Luft so feucht, dass ich es nichtmal geschafft hab mir eine Zigarette anzuzünden, die gefühlt komplette Menge wird schon bei den ersten Takten des ersten Songs euphorisch, eine Setlist, die alle Platten miteinbezieht, was will ich mehr?
Captain Planet // Alte Mälzerei, Regensburg
Nach fünf verdammten Jahren habe ich es endlich geschafft diese Band zu sehen und es war großartig. Ein Energiegeladenes 1,5 Stunden Set in einem dunklen Keller, das Gefühl, dass Sänger Jan mir meine Probleme von der Seele schreit. Wundervoll.
Zugezogen Maskulin // Fusion Festival
Uhh, ein Pressebericht von der Fusion. Zugezogen Maskulin waren mein lange antizipiertes Highlight und haben die Erwartungen überraschenderweise sogar noch übertroffen. Eine Stunde voller Krieg und Ayahuasca, zwischen Wut und Resignation, mit einem Grim104, der so aussah als wäre er aus der Psychatrie ausgebrochen und einer erzwungenen zweiten Zugabe weil sie einfach nicht von der Bühne gelassen wurden.
Turbostaat // Pirate Sattelite Festival, Stuttgart
Das Lineup des diesjährigen Pirate Sattelite war schwer zu übertreffen, eine Band besser als die andere doch Turbostaat haben es geschafft herauszustechen. Ein verdammt gutes Set, das sich über zwei Stunden zog, die Stimmung euphorisierend as fuck und gefühlte 500 Menschen, die aus vollen Kehlen schreien Wir können alles und alles können wir sein.
Love A // Angst macht keinen Lärm Festival, Leipzig
Jörkk Mechenbier ist der geborene Frontmann. Wild gestikulierend gab er den Texten quasi ein Gesicht, vom geknüpften Strick zum Punk setzte er die in den Texten genutzten Bilder um. Und was gibt es schöneres als nach einem Konzert statt den üblichen Zugabe rufen die Menge fünf Minuten lang Brennt alles nieder, Fickt das System singen zu hören